Muskelverletzung Erste Hilfe – Wie erkennt man eine Muskelverletzung? Tipps vom Physiotherapeuten St. Gallen

Allgemeine Übersicht von Muskelverletzungen

Muskelverletzung Erste Hilfe – Wie erkennt man eine Muskelverletzung? Tipps vom Physiotherapeuten St. Gallen

Wie häufig und bei wem treten Muskelverletzungen auf?

Muskelverletzungen der Skelettmuskulatur sind weit verbreitet, besonders bei Menschen, die aktiv sind ca. 55 % der Sportverletzungen sind Schädigungen des Muskels.

Wie entsteht eine Muskelverletzung?

Dabei handelt es sich um ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit. Das heisst, dass der Muskel über einen bestimmten Zeitraum mehr beansprucht wird als er es gewöhnt ist. Die Belastung kann kurze Zeit (exzessiv) oder über einen längeren Zeitraum (chronisch) erfolgen. Durch dieses Ungleichgewicht können Muskelfasern überdehnt und gezerrt werden oder sogar reissen. Besonders anfällig sind dabei Muskeln, die unkoordiniert arbeiten sowie bereits vorgeschädigtes Gewebe. Auch äussere Einflüsse, wie andere Personen oder Hindernisse, können auf das Muskelgewebe einwirken und Verletzungen wie Prellungen hervorrufen. Ebenso sind Schnittverletzungen möglich, jedoch sehr viel seltener. Wir zeigen Ihnen in unserem Beitrag wie Sie mögliche Muskelverletzungen erkennen und behandeln können.

Muskelverletzung Erste Hilfe – Wie erkennt man eine Muskelverletzung? Tipps vom Physiotherapeuten St. Gallen
Muskelverletzung Erste Hilfe – Wie erkennt man eine Muskelverletzung? Tipps vom Physiotherapeuten St. Gallen

Muskelverletzung Erste Hilfe – Wie erkennt man eine Muskelverletzung

Wenn ein Muskel verletzt ist, kommt es vor allem darauf an, dass er so schnell wie möglich richtig behandelt wird. Denn mit der richtigen Behandlung kann die Rehabilitationszeit beschleunigt und die Heilungszeit verkürzt werden.

Was genau sind Skelettmuskeln?

Skelettmuskeln befinden sich überall in unserem Körper und ermöglichen Bewegung und Fortbewegung. Insgesamt sind es ca. 650 Muskeln, die sich in ihrer Länge, Stärke und Funktion unterscheiden. Umhüllt wird jeder Muskel durch mehrere Bindegewebsschichten, in denen die Nerven und Blutgefässe zu finden sind. In deren Mitte befinden sich die Muskelfasern, die sich kontrahieren können. Die äussere Bindegewebshülle bildet den Ansatz und den Ursprung des Muskels, die sogenannte Sehne. Die Länge der Muskelfasern variiert von wenigen Millimetern (Musculus stapedius) bis zu 50 cm (Musculus sartorius). Durch die passive Stabilität des Bindegewebes werden die einzelnen Kontraktionen der Muskelfasern in eine grosse Kontraktion umgesetzt. Das Bindegewebe setzt am Knochen an und überträgt die Kraft des Muskels auf den Knochen, sodass Bewegung entsteht.

Welche Verletzungsmechanismen gibt es ?

Muskelverletzungen können viele Ursachen haben, allen voran das Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit. Die Reaktionen im Muskel sind zu über 90 % Zerrungen/ Überdehnungen und Prellungen. Ist die Belastung noch intensiver, kann es zu Muskelfaser-, Muskelbündel- und auch zum kompletten -Muskelriss kommen. Ebenfalls können Muskeln durch Schnittverletzungen von spitzen Gegenständen verletzt werden. Prellungen sind dabei häufig im Kampfsport zu finden und resultieren aus stumpfen Gewalteinwirkungen wie Tritten, Schlägen oder Stössen. Zerrungen/Überdehnungen entstehen durch übermässige, dem Gewebe unbekannte Dehnungen des Muskels, z. B. durch plötzliche exzessive (z. B. Sprint), sehr lange (z. B. Ausdauersport) oder chronische Überlastungen oder durch Muskeldiskoordinationen. Muskeldiskoordination beschreibt Vorgänge, bei denen ein unkoordiniertes Zusammenspiel zwischen Muskel und Nerv stattfindet. Meistens zeigen sich die Überdehnungen und Faserrisse am Übergang des Muskels zur Sehne.

Welche Muskeln sind am meisten betroffen?

Besonders häufig betroffen sind mit 92 % die Muskeln der unteren Extremität: Vor allem die hinteren Oberschenkelmuskeln 37 %, die innseitigen Oberschenkelmuskeln, der vordere Oberschenkelmuskel 23 % und die Wadenmuskulatur 13 %.

Kann eine Muskelverletzung zu lang andauernden Beschwerden führen?

Chronische Muskelverletzungen treten vor allem bei Erwachsenen und Ausdauersportlern auf und entstehen häufig durch immer wieder eintretende Mikroverletzungen oder Überlastungen. Häufig betroffen sind dabei die Muskeln der Oberschenkelinnenseite, die der Oberschenkelrückseite oder auch Muskeln des Nackens und Rückens.

Wie erkennt man eine Muskelverletzung?

Was spüren die Betroffenen und wie werden die Verletzungen von Therapeuten und Ärzten diagnostiziert?

Die meisten Betroffenen berichten von Schmerzen in dem Muskel, einer Verhärtung oder allgemeinen Festigkeit eines Muskels oder auch von starkem Muskelkater. Diese Schmerzen können sich direkt nach der Beanspruchung oder 1 – 2 Tage später bemerkbar machen.

Wie erkennt man eine Muskelverletzung?
Muskelverletzung Erste Hilfe

Zur Abklärung der Schmerzen, wird mit dem Therapeut/ Arzt besprochen wie es zur Verletzung gekommen ist. Der verletzte Muskelabschnitt wird angeschaut, um eventuelle Schwellungen, Blutergüsse oder Verformungen zu erkennen. Auch wird die verletzte Struktur abgetastet. Zusätzlich werden Muskeltests mit und ohne Widerstand, Funktionstests sowie eine Umfangsmessung durchgeführt. Reicht die klinische Begutachtung nicht aus, kann auch ein Ultraschall oder ein MRI (Magnetresonanztomographie) durchgeführt werden.

Einteilung des Verletzungsgrads am Muskel nach Jarvinen:

Je nach Untersuchung wird die Verletzung in 3 Grade eingeteilt.

VerletzungsgradeGrad 1Grad 2Grad 3
In der Untersuchung feststellbarFortsetzung der Bewegung möglich, minimale Kraftminderung, geringer Schmerz, geringe SchwellungFortsetzung der Bewegung möglich, deutliche Kraftminderung, deutlicher Schmerz deutliche Schwellung  Immobilisation/keine Bewegung möglich,     deutlicher Schmerz deutliche Schwellung
Klinische DefinitionMuskelzerrung/Prel-lung, Riss einiger MuskelfasernRiss mehrere MuskelfasernMuskelriss

Wie lange dauert die Heilung der Muskelverletzung ?

Wie die meisten Gewebe des Körpers läuft auch die Heilung der Muskelzelle in drei Phasen ab:

Heilungsphasen vereinfacht:

  • Entzündungsphase 1- 4 Tage: Hier wird der Heilungsprozess eingeleitet und mögliche Keime werden abgewehrt.
  • Proliferationsphase 5 – 14 Tage: Hier wird nun ein Narbengewebe hergestellt sowie Blutgefässe neu gebildet.
  • Remodelierungsphase ab 14 Tagen: Hier wird das provisorische in das definitive Muskelgewebe umgebaut und die Fasern richten sich nach der Beanspruchung aus.

Abhängig ist die Wundheilung vom Ausmass der Verletzung, dem Alter, dem Gesundheitszustand, der Ernährung und natürlich von der richtigen Behandlung mit den richtigen Belastungsreizen.

Mit folgenden Heilungszeiten kann gerechnet werden:

VerletzungsgradGrad 1Grad 2Grad 3
Ungefähre Heilungszeit2 – 8 Wochen2 – 4 Monaten9 – 12 Monaten

Und was kann man zur Unterstützung der Heilung der Muskelverletzung tun?

Entzündungsphase/Erstmassnahmen:

Bei der akuten Verletzung sollte die Therapie nach der PECH-Regel erfolgen; dabei steht „P“ für Pause, „E“ für Eis, „C“ für Kompression und „H“ für hochlagern. Die Immobilisation, also die Pause, soll bei Faserrissen das sich Zurückziehen der einzelnen Fasern verhindern. Das Eis wird zusammen mit der Kompression direkt nach Trauma, oder zumindest in der ersten Stunde und für ca. 15 – 20 Minuten, angewendet. Dabei sollte das Eis laut Literatur nur moderate Kälte haben, das heisst, ein mit kaltem Wasser getränktes Handtuch, ein Kältespray oder ein Verband mit kühlender Flüssigkeit ist ideal.

Diese Erstmassnahmen nach der PECH-Regel sollten bei allen Graden der Verletzung stattfinden. Liegt eine Verletzung mit Grad 1 vor, muss keine Ruhigstellung stattfinden.

Ab Grad 2 wird jedoch zu folgendem Schema geraten:

Der Muskel sollte für 3 Tage nicht aktiv bewegt oder gedehnt werden. Es sollte entlastet werden z.B mit Handstöcken. Je nach Ausmass der Verletzung und Anweisung des Arztes / Therapeuten kann nach 3-10 Tagen wieder mehr belastet und bewegt werden.

Die Therapie sollte am besten direkt nach der Verletzung beginnen. Es wird für 3 – 6 Tage ein Tapeverband angelegt, der die Stabilität des Muskels verstärkt und somit die Heilung unterstützt. Ab dem 3. Tag kann mit leichten Dehnreizen und Bewegungsübungen begonnen werden. Dabei ist die Schmerzfreiheit sehr wichtig. Man beginnt mit statischen Muskelkontraktionen. Bei statischen Muskelaktivitäten wird der Muskel angespannt, es findet aber keine Bewegung des Gelenkes statt.

Wie erkennt man eine Muskelverletzung?

Proliferationsphase:

In der Proliferationsphase ist ein Training mit Anspannung und Verlängerung des Muskels optimal. Häufig wird auch mit anderen Muskelgruppen gearbeitet, um Funktionen zu optimieren und zu üben.

Remodelierungsphase:

Zum Ende des Rehabilitationsprozesses kann dann auch mit dynamischem Training begonnen werden.

Wichtig ist auch zu analysieren, wie die Verletzung zustande kam. Dementsprechend sind neue Bewegungsabläufe zu erlernen. Hierbei können wir Sie in der Physiotherapie Praxis Actiway aktiv unterstützen.

Wann kann man wieder Sport machen nach einer Muskelverletzung?

Bei uns werden funktionelle Tests wie der Return to Activity Algorithmus als Entscheidungshilfe für die Rehabilitation eingesetzt. Bevor wir diese Tests durchführen, sollten Sie keine Schmerzen, volle Beweglichkeit und ausreichend Kraft haben. Dies wird in der Therapie ermittelt.

Muss bei einer Muskelverletzung eine Operation durchgeführt werden?

Bei sehr schweren Muskelrissen muss eine Operation durchgeführt werden. Dies macht man wenn der Muskel zur Hälfte gerissen ist. Auch wenn schwere Blutungen im Muskelgewebe entstehen, müssen diese operativ entfernt werden. Es kann auch zu Muskelveränderungen kommen, bei denen sich Knochen oder Knorpelzellen im Muskel ansammeln ( Myositis ossificans). Auch diese müssen häufig operativ versorgt werden.

Was sind mögliche Komplikationen von Muskelverletzungen?

Eine Komplikation ist, wie oben schon genannt, die Myositis ossificans. Falls 10 – 12 Tage nach der Verletzung noch starke Schmerzen bestehen, sollte das ärztlich abgeklärt werden. Ebenfalls können Heilungsverzögerungen durch Minimuskelrisse oder wiederholte Verletzungen im Muskel durch falsche oder zu frühe Belastung entstehen.

Kann man etwas zur Vorbeugung einer Muskelverletzung tun?

Die beste Vorbeugung von Muskelverletzungen ist das gezielte, effektive Training aller Muskelketten und der entsprechnenden Bewegunsabläufe, um mögliche Muskeldiskoordinationen zu vermeiden. Experten stellten fest, dass besonders eine stabile Lenden-Becken-Hüftregion Muskelverletzungen der unteren Extremität verhindern kann.

Wir bei Actiway helfen Ihnen gerne bei Muskelverletzungen. Ebenso zeigen wir Ihnen Übungen zur Vorbeugung von Verletzungen. Wir üben gezielt und aktiv, damit Sie möglichst unverletzt und beschwerdefrei durch den Alltag  gehen.

Literaturverzeichnis:

M. Kieb, O. Lorbach, M. Engelhardt „Muskelverletzungen: Diagnostik und Behandlungen“ erschienen im Orthopäde 2010 · 39:1098–1107; Springer Verlag; DOI 10.1007/s00132-010-1693-2

Müller-Wohlfahrt, Ueblacker, Hänsel, „Muskelverletzungen im Sport“ (ISBN 9783131467522), Georg Thieme Verlag KG

F. Mauch, R. Best, G. Bauer „Aktuelle Behandlungskonzepte bei Muskelverletzungen“ erschienen im Unfallchirurg 2013 · 116:488–496; Springer Verlag DOI 10.1007/s00113-013-2372-7

https://www.allgemeinarzt-online.de/home/a/so-heilen-gerissene-muskeln-1563244: abgerufen am 21.03.2020